Gedanken zum 4.Sonntag nach Ostern/Kantate 15. Mai 2022
Dieser Sonntag fordert uns zum Singen auf und macht uns darauf aufmerksam, dass wir unsere Stimme nicht nur zum Sprechen gebrauchen können, sondern auch dazu unseren Stimmungen Töne zu geben, die über das hinausgehen, was wir mit der Sprache ausdrücken können.
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Psalm 98,1
Friede sei mit euch von Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen
Wir beten mit Worten aus Psalm 98
Singet dem HERRN ein neues Lied,
denn er tut Wunder.
Er schafft Heil mit seiner Rechten
und mit seinem heiligen Arm.
Gott lässt sein Heil verkündigen;
vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.
Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel,
aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
Jauchzet dem IHM, alle Welt,
singet, rühmet und lobet!
Lobet Gott mit Harfen, mit Harfen und mit Saitenspiel!
Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor Gott, dem König!
Das Meer brause und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
Die Ströme sollen in die Hände klatschen,
und alle Berge seien fröhlich vor Gott;
denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit
und die Völker, wie es recht ist. Amen
Was machen wir, wenn wir begeistert sind?
Vielleicht springen wir in die Luft, rudern mit den Armen, tanzen, schreien oder wir singen aus voller Kehle…
Welche Kraft Begeisterung hat, das können wir an vielen Stellen unseres Lebens spüren. Wenn unsere Fußballmannschaft siegt, springen wir vom Sofa auf; wenn wir einen lieben Menschen nach langer Zeit wieder sehen, drücken wir ihn so fest, dass er/sie kaum noch Luft bekommt; wenn wir innerlich angerührt sind, fangen wir manchmal an zu summen oder zu seufzen.
Begeisterung drücken wir mit unserem ganzen Körper aus. Das Sprechen scheint uns zu wenig. Die Bewegung, der Schrei, das Seufzen, der Gesang brauchen den ganzen Körper.
Das Singen ist eine unserer existentiellen Ausdrucksmöglichkeiten, es ist ein leibliches Geschehen. Begeisterung, Freude, Trauer, Enttäuschung, Erschöpfung, Ratlosigkeit bringen wir oft nicht durch die Sprache zum Ausdruck, sondern durch unsere Stimme. Es ist unser Atem, der den Ton trägt und der mit den Resonanzräumen unseres Körpers nach außen verstärkt wird.
Durch unsere Stimme, durch das Singen werden Gefühle und Stimmungen intensiviert und vertieft, nach innen und nach außen, und wir bringen zum Ausdruck, was wir nicht mehr in Worte fassen können.
So ein Gesang oder Schrei kann andere verunsichern, so viel Kraft liegt darin.
Davon erzählt das Lukasevangelium (19,37-40): „Als Jesus schon nahe am Abhang des Ölbergs war, brach die ganze Menge der Jüngerinnen und Jünger in lauten Jubel aus. Sie lobten Gott für all die Wunder, die sie miterlebt hatten. Sie riefen: Stimmt ein in unser Loblied auf den König, der im Namen des Herrn kommt…“
Die Pharisäer, die das mit angehört hatten, forderten Jesus auf: „Bring doch deine Jünger zur Vernunft.“
Aber Begeisterung und Jubel sind schwer zu stoppen und schon gar nicht mit Argumenten der Vernunft. Das wissen wir selbst und das wusste auch Jesus. Darum antwortet er: Wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien.“
Die Stimme, die brummt, summt, singt, schreit oder seufzt lässt sich nicht zum Schweigen bringen, weil sie nach außen transportiert, was uns im Inneren bewegt.
Dass wir während der Pandemie nicht singen durften, uns der Stimme unseres Körpers nicht bedienen konnten, hatte Auswirkungen auf unseren ganzen Körper. Was für eine Erleichterung war es für Viele, als das Singen, wenn auch zuerst nur mit Maske, wieder erlaubt war und wie gut tut es uns jetzt, dass wir unsere Stimmen wieder hören und auch die der anderen, dass wir wieder gemeinsam brummen und summen und singen und wir unsere Gefühle und Stimmungen auf diese sinnliche Weise zum Ausdruck bringen können. So erfahren wir wieder mehr von uns und von anderen – über unsere Begeisterung, Freude, Trauer und Erschöpfung. Amen
Beten wir
Wir bitten, dich Gott, für Menschen, die innerlich stumm geworden sind, weil so viel Schweres auf ihnen lastet, dass sie dafür keinen Ausdruck mehr finden.
Wir bitten dich für Menschen, die Freude und Begeisterung, Trauer und Enttäuschung zum Ausdruck bringen und dazu gemeinsam mit anderen ihre Stimmen klingen lassen.
Wir bitten dich um offene Ohren, damit wir an der Stimme des anderen auch seine Stimmung erkennen können…
Und nun segne dich Gott
Er schenke dir Lieder, die Zugang zu deinem Herzen finden und
Töne, die dich anrühren.
ER schenke dir eine Stimme mit der du nach außen tragen kannst, was dich im Inneren bewegt.
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen