Gedanken zum 2.Sonntag nach Ostern/Misericordias Domini 24. April 2022
„Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Johannesevangelium, 10
Friede sei mit euch von Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen
Wir beten mit Worten aus Psalm 23
Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar. Amen
Der Hirte, die Hirtin
(spreche ich im folgenden Text von Hirte, dann meine ich die männliche und weibliche Form)!
Der Beruf des Hirten ist einer der ältesten Berufe. An über 80 Stellen in der Bibel wird über die Aufgaben und die Bedeutung des Hirten gesprochen. König David war ursprünglich ein Hirte. Mose, Abraham, Isaak und Jakob waren ebenfalls Hirten. Jesus beschreibt sich als „guter Hirte“, der seine Schafe mit Namen nennt (Psalm 23). Hirten waren die ersten, die von der Geburt Jesus erfahren haben (Lukas Evang.). Weitere Bezeichnungen für Hirte sind u.a. Schäfer, Hüter, Kümmerer, Leiter, Verantwortlicher. In der heutigen, modernen Sprache auch der Ranger, Agrar- Ingenieur, Macher, Manager.
Lange Zeit waren die Hirten Nomaden, die mit ihren Herden herumzogen. Sie waren immer auf der Suche nach gutem, ausreichendendem Futter und für die Sicherheit, ihrer Tiere verantwortlich. Ihr Besitz ist ihre Herde.
Wenn ich über das Hirtenleben nachdenke, rückt spontan für mich das idyllische, schöne Bild in den Vordergrund: Sonnenschein, blauer Himmel, grünes Gras und viele Schafe. Weiße, wollige Fellknäule auf vier Beinen. Lämmer und auch einige Dunkle dazwischen. Glockengeläut und das langgezogene „MÄH, MÄH“ schon von Weitem hörbar. Das Bellen der Hirtenhunde und irgendwo dazwischen oder am Rande stehend der Hirte, gestützt auf seinem Hirtenstab. Alles scheint ganz nett zu sein. Aber wie ist es bei: Regen, Wind und Kälte nach geeigneten Weideplätzen zu suchen auch im umwegigem Gelände. Auf sich allein gestellt sein. Richtige Entscheidungen zu treffen zum Wohle der Tiere. Hinter verirrten Tieren hinterher zu klettern, sich selber dabei in Gefahr zu begeben. Kranke Tiere zu versorgen. Die Herde vor Wölfen oder anderen wilden Tieren zu beschützen und zu verteidigen. Doch nicht nur Idylle. Es ist ein hartes, einfaches auch selbstloses Leben, welches die Hirten führen.
Noch bis vor fünf-sechs Jahren zog ein alter Hirte, mit seiner kleinen Schaf- und Ziegenherde an unserem Haus vorbei. Ein kleiner, schüchtern wirkender Mann. Sein Gesicht faltig und vom Wetter gegerbt. Im Mundwinkel immer eine Zigarette oder ein Stückchen Holz. Seine Herde mit ca. 15 Tieren wurde immer von einigen Hunden begleitet. Er leitete seine Herde mit ungewöhnlichen Pfiffen und Rufen. Mit seinem langen Stab trieb er seine Tiere an oder zusammen. Geduldig ließ er die Schafe und Ziegen weiden auf den freien Flächen hinter unserem Haus. Leider höre und sehe ich ihn nicht mehr. Viele Freiflächen wurden bebaut, neue Straßen und Siedlungen sind entstanden. Es gibt keine grünen Futterflächen mehr für ihn und seine kleine Herde. Ich vermisse ihn!
Der Hirte geht voran!
Der Hirte achtet auf seine Herde!
Der Hirte kümmert sich um die Einzelnen!
Der Hirte schützt und sorgt sich um seine Herde!
Der Hirte trägt Verantwortung!
Lasst uns das Wort HIRTE ersetzen durch: der VERANTWORTLICHE!
So ist jeder von uns, der Verantwortung übernimmt ein HIRTE. Wir übernehmen Verantwortung in der Familie, im Freundeskreis, in Vereinen, in der Schule, im Beruf, in der Gemeinde. Es braucht Männer und Frauen, die für ein gemeinsames Vorhaben, für ein gemeinsames Ziel, für das Gemeinwohl da sein wollen. Sie wollen dem Anderen dienen.
Ich wünsche mir die Sorge, die Fürsorge der Regierenden für ihr Volk, für die Schwachen und Schutzlosen. Mögen die Politiker, die einflussreichen Wirtschaftsbosse, die hochdotierten Manager und alle Chefs nicht auf ihren eigenen Nutzen schauen, sondern den Bürger, den Angestellten ausreichend versorgen und schützen. Sie sollten sich nicht mehr und mehr bereichern und nicht ihren eigenen Gewinn und Nutzen in Vordergrund stellen. Sondern dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter ausreichend entlohnt werden, wodurch sie wiederum ihre Familien ausreichend versorgen können.
Der Verantwortliche nimmt Risiko auf sich!
Der Verantwortliche muss Entscheidungen treffen, auch mal entgegen der mehrheitlichen Meinung!
Der Verantwortliche muss mit den Konsequenzen seiner Entscheidungen und seines Handelns umgehen lernen!
Der Verantwortliche muss aushalten, wenn es mal nicht so läuft, wie wir es uns wünschen. Er kann niemanden anderen dafür verantwortlich machen!
Ein jeder/ eine jede die in der Gemeinde Verantwortung übernommen hat, dient dem anderen. Sie sorgt und kümmert sich um andere. Sie begleitet und leitet. Sei es durch den Alltag, in deren Sorgen oder zu Gott.
Deshalb ist der wahre Hirte GOTT!
Beten wir.
Guter und gerechter Gott, stehe jeder und jedem, der Verantwortung übernimmt bei.
Gib ihnen deinen Rat. Hilf ihnen in schwierigen Entscheidungen und Situationen. Stärke sie und gib ihnen Zuversicht.
Und nun segne dich Gott.
Es segne Gott deine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Er segne deine Entscheidungen, dein Tun und Handeln.
Er segne deine Mühen, deine Sorgen und Ängste.
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Von Dagmar Theodoridis
(Prädikantin in Ausbildung)